Die Holzknechte…
…und ihre schwere Arbeit
Nachdem auch die Reit im Winkler Waldungen der Salinenverwaltung zugeordnet wurden, entwickelte sich auch hier ein sogenanntes Holzmeistersystem, bzw. die Herausbildung von berufsmäßiger Waldarbeit. Jeder Holzmeister brauchte natürlich Menschen, die für ihn die jeweiligen Waldarbeiten durchführten. Dies führte zur Herausbildung der Holzknechte, die in der Regel der „unterbäuerlichen Schicht“ entstammten. Die Holzknechte wurden von den Holzmeistern für alle anfallenden Arbeiten wie üblich als Knechte eingesetzt. Erst mit Ende des 19. Jahrhunderts kristallisierten sich Knechte heraus, die ausschließlich im Wald arbeiteten. Da Ende des letzten Jahrhunderts noch kein gesichertes Sozialsystem existierte, mussten die Holzknechte, wenn sie zur Waldarbeit nicht mehr in der Lage waren, ins Armenhaus der Gemeinde ziehen. Aber auch in diesem Armenhaus durften sie nur bleiben, wenn sie Holzhacken oder andere Arbeiten für die Gemeinde verrichten konnten. War dies nicht mehr gegeben, mussten sie „ins Quartier“ gehen. Jeder Bürger der Gemeinde musste, gestaffelt nach seinem Vermögen, einen solchen Gemeindearmen jeweils einen halben Tag bis zu drei Wochen in seinem Haus aufnehmen. Die Holzknechte verdienten im letzten Jahrhundert oft weniger als andere Tagelöhner, aber die Art der Arbeit, das freiere Leben der Holzknechte, ihr Abstand gegenüber manchen Zwängen des Lebens im Dorf machte die Tätigkeit für viele Buben zu einem erstrebenswerten Beruf.
Schon Ende des 19. Jahrhunderts sind erste Versuche der Holzknechte dokumentiert, sich gegen das Holzmeistersystem aufzulehnen und nach neuen Organisationsformen für die Holzknechte zu suchen.
Aus dem Jahr 1912 ist eine Vereinbarung zwischen 40 Holzknechten und den Holzmeistern bekannt, welche die Löhne regelte und die Arbeitszeit begrenzte. In der Folgezeit wurde immer wieder gewerkschaftliche Tätigkeit der Reit im Winkler Holzknechte dokumentiert, wobei der Einfluss der Reit im Winkler Holzknechte auf das Tarifgeschehen wohl in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahjrhunderts den höchsten Stand erreicht hat, weil Fridolin Eglseer durch seine gewerkschaftliche Funktion maßgebenden Einfluss auf die bayerische und deutsche Tarifpolitik in der Forstwirtschaft der Gegenwart hat.
Die Fällung der Bäume wurde seit Urzeiten mit der Axt durchgeführt. Mit der Wende zum 19. Jahrhundert wurde im fortschrittlichen Salinegebiet die Säge eingeführt, welche die Waldarbeit geradezu revolutionierte. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts musste das Salinenbrennholz auf Längen von drei Fuß (knapp einem Meter) abgelängt werden. Da dieses Ablängen vor dem Einführen der Säge mit der Axt durchgeführt wurde, kann man sich vorstellen, wie viel Holz „in die Späne“ fiel und dass mit der Einführung der Säge die Holzausbeute drastisch verbessert wurde. Die Einführung der Säge brachte dem Waldbesitzer höhere Gewinne, den Arbeitern allerdings in erster Linie Schmerzen im Rücken und an den Händen. Die Handsäge erfuhr natürlich noch manche Verbesserung, aber erst mit der Einführung der Motorsäge am Ende der fünfziger Jahre passierte in der Holzernte der nächste Sprung in der technischen Entwicklung.
Aber nicht alles Holz ging in die Saline, ein Teil wurde auf dem Berg in Meilern verkohlt und in die ärarischen Hüttenwerke in Bergen und Einsenärzt und auch nach Kössen geliefert. So mussten 1877 z.B. 4500 – 4700 Klafter (ca. 14000 cbm) Holz verkohlt und in die Hüttenwerke geliefert werden. Zahlreiche Kohlstätten erinnern uns noch heute an die Kohlenmeiler im Wald, so z.B. auf dem Wanderweg vom Sulzner-Kaser hoch zur Eggenalm. Ein Teil des Holzes ging aber auch schon an die zahlreich entstehenden Sägewerke im Dorf. Vor 1865 bestanden nur 2 Sägewerke – die Penzmühle und die Entfeldener Säge, ab 1865 entstanden zahlreiche weitere Sägen.
Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Holzbringung allmählich auf die Schlittenbringung umgestellt. Dies erforderte die erste größere Erschließung der Berge mit einem sogenannten Ziehwegsystem.
Das Holz wurde im Sommer aufgearbeitet und mit den Pferden oder von Hand an die Ziehwege gebracht. Bei entsprechender Schneelage wurde dann mit den Schlitten das Blochholz vom Berg zu einem großen Lagerplatz im Tal gebracht. Die Schlitten wurden in Reit im Winkl von Pferden den Berg hochgezogen, das Selbstziehen war hier nicht gebräuchlich. Der Parkplatz in Seegatterl war z.B. bis in die sechziger Jahre ein riesiger Holzlagerplatz.
Von den fünfziger Jahren an bis heute wurden die Berge dann mit einem LKW- befahrbaren Straßensystem erschlossen, womit die Schlepperbringung und die Bringung mit mobilen Seilanlagen immer mehr in den Vordergrund traten und ab Ende der sechziger Jahre den Winterzug vollkommen ersetzten.
In 20. Jahrhundert gab es zusätzlich zur normalen Holzbringung aber noch zwei weitere erwähnenswerte Holzbringungsmethoden.
Als in der Nacht vom 24. auf den 25. April 1926 in den Waldgebieten des Forstamtes Reit im Winkl und hauptsächlich auf dem Gebiet des Forstamtes Unken ca. 140 000 m Holz einem Föhnsturm zum Opfer fielen, musste auch eine Entscheidung über den Transport des Sturmholzes fallen. Man beschloss, eine stationäre Seilbahn von Seegatterl nach Zwickl mit einer Gesamtlänge von 7970 m Länge zu bauen. Mit dem Bau wurde die Leipziger Firma Bleichert beauftragt. Im Jahr 1929 wurden aus dem Forstamtsgebiet Unken ca. 200 000 fm Holz abgefahren. Der Betrieb der Seilbahn wurde nach Aufarbeiten des Sturmholzes eingestellt und die gesamte Anlage abgebaut.
Eine weitere bemerkenswerte Anlage zur Holzbringung war die Waldbahn zwischen Reit im Winkl und Ruhpolding. Der Bau der Waldbahn zu Forstzwecken wurde bereits 1913 angeregt und mit Erlass des Forstministerium vom 05.12.1919 genehmigt. Bis zum Jahre 1923 wurde der Bau der Waldbahn durchgeführt. Da die Wirtschaftlichkeit sehr gering war, wurde der Betrieb bereits im Jahre 1931 wieder eingestellt. 1949 wurden die Anlagen abgebaut. Da bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts die Holzknechte die Woche über auf dem Berg lebten, sollten auch ihre Schlafstätten noch kurz beschrieben werden.
Die großflächigen Schläge für die Salinen, die bis etwa zur Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgeführt wurden, hatten zur Folge, dass am jeweiligen Arbeitsplatz eine Schlafstätte benötigt wurde. Die Holzknechte bauten sich die „Rindenkobel“, einfachste Schutzhütten aus Stangen und Rinden. In diesen Rindenkobeln wurde geschlafen und gekocht. Gekocht bzw. gegessen wurde in der Früh das Mus, bereitet aus Mehl, Wasser und Schmalz, am Mittag wieder Mus oder Pressknödel und am Abend zur Abwechslung Mus oder Pressknödel (Pressknödel sind Knödel aus Brot und Mehl in Schmalz gebacken und mit Wasser übergossen und gesotten). Wenn die Arbeit am jeweiligen Waldort beendet war, was oft 2 – 3 Jahre dauerte, musste der Rindenkobel von den Holzknechten wieder abgerissen werden. Erst mit Aufkommen der ersten Ziehwege entstanden auch die ersten dauerhaften Hütten. So wurden die Sulzenstube 1830, die Hahnfilzenstube 1854 oder das Jochbergstübl 1862 erbaut. Erst beträchtlich später entstanden die Mühlprachstube 1901, das Liebbergstübl 1926 oder die Masererstube 1919. Seit der Erschließung der Berge mit PKW-fähigen Straßen schlafen auch die Holzknechte zu Hause in warmen Betten und die baufälligen, nicht mehr benötigten Hütten wurden wieder abgetragen.
Die Bedeutung des Waldes und die Arbeit der Holzknechte wird ja schon im Reit im Winkler Wappen gewürdigt. Der Sapi, das universelle Werkzeug der Holzknechte weist im Reit im Winkler Wappen auf die besondere Rolle der im Wald beschäftigten früheren Holzknechte und heutigen Forstwirte hin.
Sägewerke
Als erste Sägewerke – früher hießen sie Sagmühlen – sind in Reit im Winkl im 18. Jahrhundert urkundlich nachgewiesen:
1721 Penzmüller: „besitzt ein güettl, nebst der Mihl mit 3 gäng und einer Saag“
1752 Entfeldmüller: „gaudiert die Mihl zu entfelden, worbey 3 gäng und ein Saag“
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts blieb es bei diesen zwei Sägewerken. Warum aber entstanden bis Ende des Jahrhunderts 6 weitere und bis 1927 insgesamt 15 Sägewerke? Der Hauptgrund lag sicher darin, dass 1860 die Eisenbahnstrecke von Rosenheim nach Traunstein verlängert wurde und dadurch die Möglichkeit bestand, Holzschnittware, also vorwiegend Bretter, sogar zu weit entfernt liegenden Abnehmern zu transportieren. Bis dahin hatten diese Gewerke ausschließlich für den örtlichen oder näheren Bereich produziert. Allerdings war es für heutige Verhältnisse unvorstellbar mühsam und aufwendig, die Schnittware zur Bahn zu bringen, mussten doch die Pferdefuhrwerke noch bis 1885 bis Übersee und ab diesem Jahr immerhin noch bis Marquartstein fahren. Die Fuhre nach Übersee dauerte 1 ½ Tage, nach Marquartstein schaffte man es an einem Tag. Alle Sägewerke mit Ausnahme des Entfeldmüllers hielten schwere Zugpferde, so der Oberwirt 10 bis 12, Lehrberger 4 bis 6, Neubauer, Menkenbauer, Penzmüller, Knogler, Feichtlimer 4 Pferde. Bis auf die Maser musste meist wegen der zum Teil sehr steilen Straßenanstiege 4-spännig, von da an 2-spännig gefahren werden.
Neben den Sägewerksbesitzern hielten auch die Bauern mehrere Pferde, die zum Transport der Bretter, vorwiegend aber zur Holzabfuhr vom Berg zu den Lagerplätzen oder Sägewerken eingesetzt waren.
Weitere Gründe für die Vielzahl der Sägewerke, die freilich hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit keineswegs mit heutigen Werken verglichen werden können, waren selbstverständlich auch die natürlichen Gegebenheiten, nämlich der Waldreichtum und relativ günstige Gewässerverhältnisse durch die Weiß- und Schwarzlofer; denn bis Ende des 19. Jahrhunderts waren alle Sägewerke auf die Wasserkraft angewiesen. Sicherlich hat auch der enorme Holzanfall aus den schweren Sturmschäden im August 1877, insbesondere in den Waldabteilungen Kleinsteinbach, Grünwörth, Hemmersuppenalm, langfristig dazu animiert, Sägewerke zu errichten. Zur Aufarbeitung der Windwürfe waren unter anderem auch Italiener eingesetzt, woran noch Bezeichnungen wie „Italienerreib“ und „Italienerschlag“erinnern.
Allerdings barg die Vielzahl der Sägewerke auch die Gefahr in sich, dass z. B. Absatzschwierigkeiten oder wenig Holzeinschlag für das gesamte Gewerbe große wirtschaftliche Probleme mit sich bringen konnten. Eine solche Situation trat unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg ein, als über Nacht die Rundholzlieferungen aus den bayerischen Saalforsten in Österreich ausblieben und anstatt der vorher ca. 5 000 – 7 000 Festmeter Stammholz jährlich nur noch ca. 2 000 zur Verarbeitung zu Schnittholz vorwiegend aus dem örtlichen Staatsforst geliefert werden konnten. Doch in dieser Not verständigten sich die Sägewerksbesitzer unter ihrem damaligen Obmann Josef Sachenbacher darauf, die verbliebene Holzmenge einigermaßen gleichmäßig auf die Sägewerke zu verteilen. Wie sich Michael Höflinger, Neubauer, erinnert, durfte jener, der die Herz-As aus dem Kartenspiel zog, als erster aus den angelieferten Holzlosen wählen; eine Handlungsweise, wie sie vielleicht nur in wirtschaftlich schweren Verhältnissen einer Dorfgemeinschaft möglich war. Allerdings musste Sachenbacher dazu einräumen: “ Die in Generationen geschaffene Substanz unserer Betriebe bröckelt allmählich ab. Eine konjunkturelle Chance wird wohl nur durch den Fremdenverkehr möglich sein“.
(Quelle: Heimatbuch der Gemeinde Reit im Winkl)